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Kulturschocks in England

02.11.2022 - von Elisa



Wenn man ein Auslandssemester antritt, wird es wohl jedem passieren, dass Leute an dich herantreten, die dir mit Unverständnis oder Bewunderung begegnen, da sie vermeintlich nie in der Lage wären sich in einem fremden Land mit einer anderen Kultur, und Sitten, Gebräuchen, Umgangsformen, Lebensstilen, Bildungs- und vielleicht sogar politischen Systemen, die sich von denen des Heimatlandes unterschieden, aufzuhalten, geschweige denn für mehrere Monate dort zu leben. Und ich denke, es ist auch wahr, dass jeder, der ins Ausland geht, sich diese Gedanken doch auch einige Male macht. Wir fragen uns, wie anders das Leben im Austauschland im Vergleich zu dem zu Hause sein wird, und ob wir mit diesen Unterschieden gut umgehen können werden. Wir fragen uns, wie gut wir uns in die Lebensrealität eines anderen Landes einfügen können werden.

Es ist aber beruhigend zu wissen, dass sich in England, und ich würde behaupten, das trifft auf jedes Austauschland zu, die meisten Leute der Umstellung bewusst sind, mit der alle internationalen Studierenden konfrontiert werden. “Have you experienced any culture shocks?” war somit eine der Fragen, die mir mit als erstes gestellt wurden, sobald ich mit einem Briten eine Konversation anfangen habe. Sie wurde unzählige Male geäußert, vermutlich mit der guten Absicht Verständnis zu zeigen und Vorschläge zu machen, wie man sich einen fremden Ort doch zu einem Zuhause machen kann. Doch wahrscheinlich war meine Antwort letztendlich für die Briten ein Schock, da sie meistens sehr verhalten ausfiel.

Denn für mich war die Frage nach den Kuturschocks in England tatsächlich immer unglaublich schwer zu beantworten. All das, was wahrscheinlich die meisten antworten würden, hatte ich tatsächlich erwartet. Ich hatte erwartet, dass die Freundlichkeit der Briten manchmal fast sogar nervig sein könnte. Ich hatte erwartet, dass ein “how are you” in den meisten Fällen kein ehrliches Interesse an deinem Wohlbefinden ausdrückt und eine ausführliche Antwort voraussetzt, sondern einfach nur Teil einer normalen britischen Begrüßung ist. Ich hatte erwartet, dass die Autos auf der falschen Seite fahren würden und ich mich deshalb viel vorsichtiger im Straßenverkehr verhalten sollte, während alle anderen ohne groß zu Überlegen die Straße bei Rot überqueren. Ich war vorgewarnt worden, dass es sich schwierig gestalten könnte, ein Angebot von ausgewogenem und gesundem Essen in Restaurants zu finden und dass sowieso viel mehr unterwegs oder auswärts gegessen wird als gemütlich zu Hause. Ich wusste, dass die Briten viel und gerne trinken.

Ich hatte damit gerechnet, dass die Lösung der meisten Probleme für Briten im Teetrinken liegen würde. Ich wusste, dass die Briten nicht so reinlich und auch kleinlich sind wie wir.

Und ich wusste, dass Bargeld bei einem Bezahlvorgang zu sehen für sie schon fast eine Überraschung ist.

Natürlich bin ich nicht allen diesen Erwartungen mit Vorfreude begegnet. Obwohl ich dadurch, dass ich sie hatte, dementsprechend auf eine gewissen Art mental vorbereitet war, heißt das auch nicht, dass es nur einfach war, sich der neuen Kultur anzupassen. Aber letztendlich war ich einerseits wirklich glücklich, andererseits einfach sehr amüsiert, dass alle meine Erwartungen ausnahmslos erfüllt wurden.

Was mich letztendlich überrascht hat war, dass genau diese britischen Eigenarten etwas wurden, das ich mir während meiner Zeit in England selbst angeeignet habe. Ich erwische mich jetzt, wie ich auf der linken Seite des Bürgersteigs laufe, statt auf der rechten. Es passiert mir, dass ich mich bei Leuten dafür entschuldige im Weg zu stehen, selbst wenn ich nichts dafür kann und dann von den Deutschen merkwürdig angeschaut werde, weil sie keine Entschuldigung erwarten. Ich merke, dass ich gerne dem Busfahrer Hallo, Danke und Auf Wiedersehen sagen würde und viel häufiger mit Karte zahle. Ich habe jetzt fast immer einen Kaffee, Tee oder anderes Getränk to-go dabei, und wenn mich eine Situation überfordert oder ich Stress habe, greife ich tatsächlich als erstes zum Wasserkocher. Und ich muss mich aktiv daran erinnern nicht bei Rot über die Straße zu gehen.

Aber genau das ist etwas, das ich unglaublich schätze: wieder nach Hause zu kommen und festzustellen, dass man sich einige dieser Eigenarten, die man anfangs möglicherweise negativ betrachtet hat, oder gar unglaublich merkwürdig fand, zu eigen gemacht hat. Dass genau die Dinge, die man früher vielleicht sogar belächelt hat, zu etwas wunderschönem geworden sind, etwas, das einem nun ein echtes Lächeln auf die Lippen zaubert, weil es an eine wunderschöne Zeit erinnert, und dazu beiträgt, dass diese Zeit unvergessen bleibt.


Wenn ihr Fragen an Elisa habt oder zum Thema "Auslandsaufenthalt in England" beraten werden möchtet, könnt ihr uns unter: auslandslotsen@uni-due.de erreichen.

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