20.01.2021 – von Sonja
Zeig mir deine Freunde, und ich zeig dir, wo du warst!
Während eines Auslandssemesters werden Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern zu Freunden. In meinen Auslandsaufenthalten habe ich die Erfahrung gemacht, dass diese Freundschaften auch lange Zeit später noch bestehen bleiben.
Mit einigen Studierenden bin ich nach mittlerweile 3 Jahren immer noch regelmäßig im Kontakt, manche habe ich in ihrer Heimat besucht, andere haben mich besucht. Alle paar Monate werden Videoanrufe gemacht und öfters auch gechattet, dabei schwelgt man in Erinnerungen und tauscht aktuelle News aus. Und das alles auf einer großen Vertrauensebene!
Wie kommt es dazu?
Ich bin überzeugt davon, dass ein Auslandssemester eine einmalige und prägende Erfahrung ist. Während du dein Auslandssemester absolvierst, lernst du Menschen kennen, die zur gleichen Zeit am gleichen Ort und in der gleichen Situation sind wie du. Das heißt, euch verbinden die Erfahrungen in einem fremden Land, die Reisen, die langen Partynächte, das Lernen der Sprache, das gemeinsame Kennenlernen von Land, Kultur und Leuten. Diese Erfahrung hat möglicherweise keiner von deinen Freunden Zuhause genauso erlebt, weswegen du eine Art Insider-Erfahrung mit deinen Freunden aus dem Auslandssemester teilst, die so genau keiner nachvollziehen kann, der nicht selbst dabei gewesen ist.
Außerdem ist es auffällig, dass man während eines Auslandssemester in Freundschaften ehrlicher ist. Denn es handelt sich nur um ein halbes, vielleicht ein ganzes Jahr. Wenn dir eine Person nicht sympathisch ist, warum solltest du dann wertvolle Zeit mit ihr verbringen? Mein Punkt ist, dass du ganz anders auf Menschen zugehen wirst, denn du hast ja nichts zu verlieren und willst unbedingt tolle, neue Leute kennenlernen. Diese Situation ist Zuhause mit einem gemeinsamen Freundeskreis o. Ä. wahrscheinlich anders. Bekanntschaften, die während eines Auslandssemesters geknüpft werden, haben eine komplett andere Basis, die eine gute und langwierige Freundschaft nahezu verspricht.
Meine erste und letzte Bekanntschaft
Schon während der ersten Tage in meiner zweiten Heimat Frankreich durfte ich so einige tolle Menschen kennenlernen. Die meisten davon wohnten ein paar Türen weiter mit mir im Wohnheim und waren internationale Studenten wie ich. Doch eine Person stach schon am Anfang hervor: Malgorzata aus Polen, mit Spitznamen Gosia.
Nur wenige Tage nach meiner Ankunft habe ich sie in der Küche getroffen und gefragt, was sie kocht, um ein Gespräch anzufangen. Daraufhin antwortete sie, dass sie Wasser für einen Tee koche. Ich hatte einen Wasserkocher in meinem Zimmer stehen und habe ihr daher angeboten, ihn zu benutzen, woraufhin sie vorgeschlagen hat, dass wir doch direkt zusammen einen Tee trinken könnten.
Und von da an lief alles wie von allein. Von Tür 47 zu Tür 53 und umgekehrt, tapsten wir in Kuschelsocken, Wanderschuhen oder Turnschuhen bekleidet durch den Flur, egal ob wir uns Gewürze liehen, gemeinsam Ausflüge planten oder uns über unsere Stundenpläne ausließen. Wir sprachen auf Französisch, korrigierten gegenseitig unsere Fehler (am Anfang sprachen wir beide furchtbar schlecht und hatten daher umso mehr Geduld miteinander) und entwickelten uns zusammen sprachlich weiter. Und natürlich tranken wir immer wieder zusammen Tee, fanden etwas über die französische Kultur heraus oder organisierten Exkursionen, zu denen wir ein paar andere Leute einluden. Rob aus England, Ting aus China, Alice aus Frankreich, Leonardo aus Italien, Daniel aus Kanada, und und und…
Und obwohl wir auch unsere separaten Bekanntschaften und Gruppen und Erlebnisse hatten, so waren es doch immer wieder Gosia und ich. Wir teilten sämtliche Erlebnisse miteinander, erzählten uns unsere Sorgen, brachten uns beim Einkaufen etwas mit, ja, wuschen manchmal sogar eine Maschine Wäsche zusammen. Was ich am Anfang niemals für möglich gehalten hatte, wurde Wirklichkeit: Über die 9 Monate hinweg sind wir enge Freunde geworden.
Und tatsächlich war Gosia auch die letzte Person, die zusammen mit mir im Wohnheim übrig blieb, als alle anderen internationalen Flurnachbarn bereits auf dem Rückweg nach Hause waren. Wenig später folgte unser allerletztes Au revoir, doch der Abschied war nicht für immer: Nicht mal zwei Monate ist es her, dass ich sie in Polen besucht habe. Als sie mich vom Bahnhof abholte und wir uns nach den vielen Monaten wieder begegneten, dauerte es keine fünf Minuten, bis alles wie beim Alten war.
Sei einfach du selbst, lasse dich auf die neue Erfahrung ein und teile sie mit den anderen Studenten, die zur gleichen Zeit am gleichen Ort sind wie du!
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